Als Religion der Bajuwaren werden jene Glaubensvorstellungen bezeichnet, die in der Frühzeit vor der Christianisierung unter den Bajuwaren verbreitet waren, das heißt im 6. bis 7. Jahrhundert. Dabei ist zu bedenken, dass sich der Stamm der Bajuwaren erst im 6. Jahrhundert aus verschiedenen germanischen und nicht germanischen Gruppen bildete und gleichzeitig auch schon das Christentum, in der Form des Arianismus unter den Bajuwaren existierte. Die romanische Bevölkerung im ehemaligen Noricum Ripense und der Raetia Secunda hingegen war schon seit dem 4. Jahrhundert weitgehend katholisch. Die schriftliche Überlieferung aus den altbairischen Quellen und den lateinischen Manuskripten aus dieser Region berichten jedoch sehr wenig von der vorchristlichen Religion der Bajuwaren und die einzige Informationsquelle ist deshalb die Archäologie.

Grabbeigaben Werkeln

 
Wertvolle Grabbeigaben wie diese bajuwarische Bügelfibel aus Waging am See wurden bis ins 7. Jahrhundert den Toten mitgegeben.

In bajuwarischen archäologischen Funden aus Zeit des 6. bis 7. Jahrhunderts findet man durchwegs die Sitte den Toten wertvolle Gegenstände mit ins Grab zu geben. Dies wurde oft als Beweis für eine nichtchristliche Glaubensvorstellung dieser Menschen gewertet. Bei den Grabbeigaben handelt es sich jedoch durchwegs um wertvolle Gegenstände, wie Fibeln, Edelsteine, Waffen und Werkzeuge. Speis und Trank als Vorrat für eine Reise ins Totenreich findet man aber in den bajuwarischen Reihengräberfeldern extrem selten, wodurch in der Archäologie diese klassische Interpretation in jüngster Zeit stark relativiert wurde. Im Rechtsverständnis dieser Germanen war es vielmehr so, dass persönliche Wertgegenstände nicht vererbt werden konnten, sondern der Besitzer nahm diese Statussymbole und Attribute seines irdischen Lebens mit ins Grab. Diese Praxis wurde später sogar unter einem christlichen Kontext fortgesetzt und man findet auch christliche Gegenstände wie Glottblattkreuze in bajuwarischen Gräbern.

Überhaupt ist die genau ethnische Zuordnung von Grabfunden in Südbayern und Nordwestösterreich aus der Zeit des 6. und 7. Jahrhunderts sehr schwierig, da sich der Stamm der Bajuwaren in dieser Zeit erst aus vielen verschiedenen Gruppen bildete. Die zahlenmäßig größte Komponente dieser ethnisch heterogenen Gesellschaft waren jedoch klar verschiedene Gruppen von Germanen, besonders Langobarden und auch Alamannen, sowie kleinere Gruppen von Thüringern, Goten und verschiedenen Ostgermanen. Diese sind anfangs archäologisch noch unterscheidbar, wobei im Verlauf des 6. Jahrhunderts die typischen Charakteristika verschwimmen. Daneben findet man in denselben Reihengräberfeldern aber auch nachweislich hunnische Einflüsse (z.B. in Waging am See) und auch slawische Grabbeigaben (z.B. Straubing-Bajuwarenstraße). Die wichtigste Gruppe innerhalb der Bajuwaren waren neben den Germanen die verbliebenen keltoromanische Bevölkerung, die trotz des Befehls Odoakers vom Jahr 488 nach Christus die Provinzen nördlich der Alpen zu räumen, in der Region geblieben sind. Diese Gruppe war im 6. Jahrhundert schon durchwegs christianisiert und daher findet man in den Romanengräbern keine Grabbeigaben. Viele Gräber wurden aber später von Grabräubern geplündert, oft noch in frühmittelalterlicher Zeit, was die genaue Beurteilung erschwert. Die moderne Archäologie kann heute jedoch meist eindeutig feststellen, ob ein Grab ausgeraubt wurde und in welcher Zeit.

Wichtige Funde auf denen die archäologischen Erkenntnisse zur Glaubenswelt der Bajuwaren aufbauen, wurden unter anderem an folgenden Orten gefunden:

 
Wichtige Fundorte bajuwarischer Reihengräberfelder aus dem 6. und 7. Jahrhundert

Schriftliche Quellen Werkeln

 
Die wenigen Quellen über die Bajuwaren aus dieser Zeit, stammen von christlichen Autoren

Aus der später von den Bajuwaren besiedelten Region zwischen der Donau und den Alpen, das heißt im heutigen Nieder- und Oberbayern, im Salzbuger Land und im westlichen Oberösterreich, gibt es eine sehr umfangreiche schriftliche Quelle aus dem späten 5. Jahrhundert, die Vita des heiligen Severin von Noricum. Dieser war ein christlicher Römer, der am Ende des als Missionar in Noricum tätig war und auch wichtige organisatorische Aufgaben übernommen hat, auf Grund der zerfallenden Verwaltung des Römischen Reiches. Nach seinem Tod in Favianis, dem heutigen Mautern in Niederösterreich, schrieb Eugippius ein umfassendes Werk über das Wirken des Heiligen Severin, das einen umfassenden Einblick in die Situation der Provinz Noricum zu dieser Zeit liefert. Die Vita Sancti Severini berichtet, dass die Romanen im 5. Jahrhundert bereits durchwegs katholische Christen waren, wie auch die unter den Romanen lebenden Germanen. Von den Germanen jenseits der Donau, die später der maßgebliche Teil der bajuwarischen Bevölkerungen werden sollten, erfährt man lediglich über die Rugier genaueres. Nach dem heiligen Severin bricht jedoch die schriftliche Überlieferung komplett ab und es gibt erst wieder aus der Mitte des 6. Jahrhunderts Informationen über dieser Region, die jedoch sehr sporadisch sind und von Durchreisenden wie dem heiligen Venantius Fortunatus stammen. Erst durch die Mission schottischer Mönche im frühen 8. Jahrhundert, blüht die Erstellung von Texten in der bajuwarischen Region selber wieder neu auf. Diese Texte aus dem 8. Jahrhundert wurden jedoch durchwegs von christlichen Mönchen geschrieben und beinhalten praktisch keine Information über die Glaubensvorstellungen der Bajuwaren aus der Zeit davor. Dadurch gibt es über diese zeitliche Lücke von 200 Jahren sehr wenige schriftliche Quellen, besonders nicht über die Religion der Bajuwaren, eher noch über politische Ereignisse.

Altbairische Texte die einen Einblick in die Religiosität der Bajuwaren geben, jedoch aus dem 8. bis 10. Jahrhundert stammen, sind: Das Wessobrunner Schöpfungsgedicht, die Basler Rezepte, das Muspilli, das Carmen ad Deum, die Exhortatio ad plebem christianam, die Kasseler Gespräche, das Freisinger Paternoster mit Auslegung, die Mondseer Fragmente, der Wiener Hundesegen und das Pro Nessia.

Vermutete Analogien Werkeln

Langobarden Werkeln

Auf Grund der fehlenden schriftlichen Quellen und weil auch die Archäologie Vergleichswerte benötigt um die ausgegrabenen Funde richtig deuten zu können, bleibt bei den Bajuwaren nur der Vergleich zu anderen Germanenstämmen und deren religiöse Vorstellungen. Dabei sind vor allem die Langobarden ein wichtiger Bezugspunkt, da diese aus archäologischem Befund heraus maßgeblich an der Ethnogenese der Bajuwaren beteiligt waren. Jedoch stammt auch die wichtigste Quelle zur Religion der Langobarden, die Historia Langobardorum von Paulus Diaconus, aus einer Zeit als diese längst Christen waren. Noch dazu entstand dieses Werk bereits in der Zeit der fränkischen Oberhoheit über die Langobarden und ist deshalb einer besonderen Textkritik zu unterwerfen. Von den Langobarden selbst wird von zeitgenössischen römischen Quellen des 5. Jahrhunderts berichtet, dass diese bereits in der Zeit um das Jahr 487 zum christlichen Arianismus übergetreten waren. Es ist jedoch durchaus vorstellbar, dass eben jener Teil der Langobarden, der von Pannonien aus nach Mähren und an die obere Donau zog und dort zu einer der wichtigsten ethnischen Komponenten der dort entstehenden Bajuwaren wurde, noch länger heidnische Vorstellungen bewahrte.

Rugier, Heruler, Goten Werkeln

Ein weiterer Teil der Bajuwaren stammt wahrscheinlich auch von versprengten ostgermanischen Gruppen, wie den Rugiern, den Herulern, den Gepiden, den Skiren und auch einzelnen Goten, die im Zuge der Völkerwanderung in der Gegend nördlich der Alpen blieben. Die Quellenlage ist hier jedoch ebenfalls sehr dünn und römische Quellen berichten über diese Gruppierungen ebenfalls, dass diese im 6. Jahrhundert bereits zum Arianismus übergetreten waren. Bei den in Niederösterreich siedelnden Rugiern wird dies schon um das Jahr 455 behauptet, die Heruler sollen spätestens 534/535 arianische Christen geworden sein und die Gepiden werden von Procopius ab dem Jahr 548 als Arianer bezeichnet, wobei sich diese Information auf die Gepiden im Gebiet des heutigen Rumänien bezieht.[1]

Alamannen Werkeln

In der Region westlich der Bajuwaren hatten sich schon ab dem 3. Jahrhundert die Alamannen niedergelassen und zuvor römisches Territorium besiedelt. Über die Relgion der Alamannen ist auch aus schriftlichen Quellen viel mehr bekannt und Gruppen von Alamannen waren auch in der anfänglich heterogenen ethnischen Zusammensetzung der Bajuwaren zu finden, weshalb die Forschung besonders zu diesem Nachbarstamm Analogien in Bezug auf die Religion gezogen hat. Dies mag bis zu einem gewissen Grad zulässig sein, vor allem weil man in der bajuwarischen Anfangszeit sicher nicht von einer einheitlichen Glaubensvorstellung sprechen kann. Ein wichtiges Indiz dagegen sind jedoch die bairischen Bezeichnungen für die Wochentage, in denen es keinen alemannischen Zischtig gibt, der auf den germanischen Gott Tiu zurückgehen soll. Im Bairischen hingegen, geht sowohl der alte Name für den Dienstag (Erietag) wie auch für den Donnerstag (Pfingstag) auf eine griechischen Ursprung zurück, der womöglich über das arianische Christentum weiter gegeben wurde.

Sachsen Werkeln

Eine besonders problematische Analogie wurde teilweise zur germanischen Relgion der Sachsen hergestellt. Diese beruht hauptsächlich auf der Tatsache, dass es einige Manuskripte aus dem 8. Jahrhundert gibt, die teilweise in altbairischer Sprache und teilweise in Altsächsisch geschrieben sind, wie die Basler Rezepte, das Wessobrunner Gebet oder das Hildebrandslied. Diese Texte sind jedoch meist im Kloster Fulda entstanden, das nachweislich von bajuwarischen Mönchen mitbegründet wurde und auch danach noch länger Verbindungen zu Klöstern im bairischen Raum aufrecht erhielt (siehe die Vita Sturmi). Dabei wurden zum einen bajuwarische Texte oft nur bruchstückhaft ins Altsächsische übersetzt, wodurch sich die abwechselnde linguistische Form aus beiden Idiomen ergibt, zum anderen wurden sächsische mündliche Erzählungen von eigentlich bairischsprachigen Mönchen aufgeschrieben. Diese Manuskripte sind jedoch weniger ein Beweis für eine religiöse Analogie zwischen den Bajuwaren und den Sachsen, als für eine rege christliche Missionstätigkeit bajuwarischer Mönche. Im 8. Jahrhundert, als diese Texte entstanden, waren die Bajuwaren schon durchwegs katholische Christen, die sogar Missionare zu anderen noch heidnischen Stämmen los schickten.

Ein weiteres Indiz gegen eine Analogie der Religion der Sachsen ist die Tatsache, dass bei den am europäischen Kontinent verbliebenen Sachsen, wie auch bei den Friesen und den Germanen Skandinaviens die Totenverbrennung die Normalform der Bestattung war, bei den Bajuwaren hingegen die Bestatung der Toten mit Grabbeigaben vorherrschte.

Glaubensvorstellungen der Bajuwaren Werkeln

 
Hemdfibeln als Grabbeigabe einer bajuwarischen Frau aus dem Reihengräberfeld in Waging am See

Neben aller Schwierigkeiten Erkenntnisse zur Religion der Bajuwaren aus den schriftlichen Quellen und den problematischen Analogien zu anderen germanischen Stämmen abzuleiten, lassen sich jedoch durch die Archäologie doch einige Erkenntnisse zur Glaubensvorstellung dieser Menschen im 6. und 7. Jahrhundert ableiten:

Die Gesellschaft der Bajuwaren war ähnlich zu anderen Germanen sehr jenseitsbezogen. Das irdische Leben wurde als Prüfung angesehen, die nur dazu dient, für den Einzelnen den passenden Platz im Leben nach dem Tod zu bestimmen. Deshalb war es wichtig, die Toten mit ihren wichtigsten irdischen Besitztümern zu bestatten, um ihnen einen entsprechenden Rang im Jenseits zu verschaffen. Dabei wurden jedoch nur die unmittelbaren persönlichen Gegenstände des Verstorbenen ins Grab gelegt, die er oder sie am Körper getragen hat und die seinen Stand auszeichnen.

Männer und Frauen ergaben bei den Bajuwaren nur vereint einen vollwertigen Mensch. Ein Mann ohne Frau und eine Frau ohne Mann waren keine voll berechtigten Mitglieder der Gemeinschaft und waren deshalb Knecht oder Magd, bis sie einen Partner gefunden hatten. Dies galt auch für die Zeit nach dem Tode. Nur ein Mann der zu Lebzeiten eine Frau gefunden hatte, konnte darauf vertrauen auch im Jenseits eine Partnerin zu haben und den vollen Rang als freier Mann zu genießen. Viele Frauen starben jedoch schon sehr jung, etwa bei der Geburt eines Kindes, was sich auch durch die Altersbestimmung der gefundenen weiblichen Skelette ergibt. Ein Mann der seine Frau verlor, sank dadurch aber wieder in den Stand eines Unfreien zurück und musste fürchten es auch im Jenseits zu bleiben. Diese Vorstellung führte mitunter auch zu Fehden und Krieg um Frauen von benachbarten Gruppen gewaltsam zu rauben.

Die Frauen waren bei den Bajuwaren für das Wohl der Sippe, der Familie, des Hauses und der dazugehörigen Haustiere zuständig und trugen zum Schutz vor Krankheiten und Verwünschungen eine Reihe von Perlen und Amuletten. Spezielle Augenperlen schützten die bajuwarische Frau vor dem "bösen Blick", der die schlimmste Verwünschung verursachen konnte, die Kinderlosigkeit. Andere Amulette, wie Zähne und Knochen sollten vor bösen Geistern, Unwettern und auch vor Raubtieren, wie Bären, Wölfen und Luchsen schützen. Frauen trugen zusätzlich noch ein Amulett in Form einer Schnecke, das für eine leichte Geburt sorgen sollte.

Aus dem archäologischen Befund ergibt sich auch, dass die Gesellschaft der Bajuwaren in der Frühzeit sehr egalitär gewesen ist. Es ist noch keine klare Abgrenzung verschiedenen Stände oder Berufsgruppen erkennbar. Das liegt vor allem daran, dass die Bevölkerungsdichte damals sehr gering war und eine Siedlung nur aus wenigen Menschen bestanden hat, die Landwirtschaft betrieben haben und auch sonst alle wichtigen Handwerke in Selbstversorgung durchführten. Klare Abgrenzungen gab es nur in der Zuständigkeit von Männern und Frauen für verschiedene Lebensbereiche und eine altersbedingte Unterscheidung in Kinder, junge unverheiratete Erwachsene, verheiratete voll berechtigte Mitglieder der Gruppe und Greise. Einen Adelsstand oder priviligierte Gruppen, die sich nur mit Handel und Verwaltung beschäftigten und manuelle Arbeiten den anderen überließen, gab es in der frühen Phase der Bajuwaren nicht. Neben Grabbeigaben ergibt sich dies im archäologischen Befund auch aus der paläomedizinischen Untersuchung der Skelette.

Überhaupt war das Leben dieser Menschen sicher hart und anstrengend und die durchschnittliche Lebenserwartung war für beide Geschlechter eher niedrig. Die Erträge aus der Landwirtschaft waren im Vergleich zu späteren Epochen sehr gering. Ackerland musste dem Urwald mühsam abgerungen werden, wo man nicht das Glück hatte, schon zuvor von den Römern gerodete Flächen rund um die ehemaligen Villae Rusticae zu bewirtschaften. Daneben gab es noch wilde Tiere, die eine Gefahr darstellten und heute längst ausgestorben sind, sowie Verletzungen und Krankheiten für die es damals keine Heilung gab. Diese Umstände dürften die religiösen Vorstellungen dieser Menschen und den starken Bezug auf ein jenseitiges Leben maßgebend bestimmt haben.

Missionierung zum Christentum Werkeln

Arianismus Werkeln

Zur Zeit der Ethnogese der Bajuwaren, also im 6. Jahrhundert, gab es bereits ein Nebeneinander zwischen heidnischen germanischen Glaubenvorstellungen und dem arianischen Christentum. Der Arianismus war damals eine nach Arius von Alexandria benannte christliche Abspaltung, die sich vor allem in der Ablehnung der Dreifaltigkeit und der Göttlichkeit der Person Jesu Christi vom Katholizismus unterschied und sich unter den ostgermanischen Stämmen rasch verbreitet hat. Dafür verantwortlich war vor allem die Wulfilabibel, eine Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen ins Gotische aus dem 4. Jahrhundert. Von den Goten verbreitete sich die arianische Variante des Christentums rasch auf benachbarte Stämme und auch jene verschiedenen Gruppen, aus denen im 6. Jahrhundert die Bajuwaren entstanden. Umstritten ist jedoch die Frage, wie weit verbreitet diese Form des Christentums unter den Bajuwaren war und in wie weit dies aus dem archäologischen Befund ablesbar ist. So wird von manchen Forschern die Existenz von Grabbeigaben als heidnische Sitte interpretiert, die auf die Existenz einer germanischen Religion hindeutet, während andere die Abkehr von der Verbrennung der Toten zu einer Erdbestattung bereits einem christlichen Einfluss zuschreiben. So fällt die Missionierung der Goten durch die Wulfilabibel mit deren Aufgabe der Brandbestattung zeitlich zusammen. Vorstellbar ist jedoch auch die Entstehung einer synkretistischen Glaubensvorstellung[2] aus germanischen und griechisch-christlichen Elementen. Dafür spricht bei den bajuwarischen Gräberfeldern auch die Beigabe von eindeutig christlichen Gegenständen, wie den ab dem 7. Jahrhundert aus dem langobardischen Italien übernommenen Brauch den Toten Goldblattkreuze mit ins Grab zu legen.[3] Auch einige linguistische Indizien sprechen für eine Christianisierung der Bajuwaren über den griechischen Osten. Die lateinisch-katholischen Quellen aus dieser Zeit liefern jedoch keine Informationen über den Grad der arianischen Missionierung, was jedoch möglicherweise eine bewusste Weglassen darstellt. Insofern ist auch bei diesem Thema die Forschung allein auf die Archäologie angewiesen und auf Analogien zu anderen an der Donau siedelnden Germanenstämmen, bei denen die Quellenlage klarer ist. Germanische Religiosität mit Heiligtümern und Priestern, wie sie zur gleichen Zeit in Norddeutschland und Skandinawien existierte, ist jedoch bei den Bajuwaren nicht belegbar.[4]

Katholizismus Werkeln

Vor allem in den grösseren ehemaligen römischen Städten und Kastellen, wie Iuvavum (Salzburg), Lauriacum (Enns), Boiotro (Passau), Castra Regina (Regensburg), Augusta Vindelicorum (Augsburg) und in den Tiroler und Salzburger Alpentälern existierte trotz der Wirren der Völkerwanderung teilweise noch eine romanische Bevölkerung. Diese im bajuwarischen Siedlungsraum verbliebenen Romanen waren durchwegs katholische Christen, wie auch aus der Vita Sancti Severini hervorgeht. Sie verehrten weiterhin lokale christliche Heilige wie Florian von Lorch und Afra von Augsburg und lebten oft direkt neben den neu eingewanderten Germanen. In bajuwarischen Reihengräberfelder findet man auch durchwegs romanische Gräber neben germanischen. Diese Koexistenz führte sicher auch zu einer kulturellen und religiösen Beeinflussung der Bajuwaren durch die lokalen Romanen. Dennoch führte erst die ab 615 beginnende Missionierung durch iro-schottische Mönche zur Konversion der Bajuwaren zur katholischen Variante des Christentums. Dabei waren vor allem die heiligen Eustasius, Agilus und Emmeram von Regensburg von Bedeutung. Doch erst durch politischen Druck von Seiten der mächtigeren Franken konnte der Katholizismus auch unter den germanischen Bajuwaren stärker Fuss fassen, wobei die heiligen Korbinian und Rupert eine wichtige Rolle spielten. So wurden um das Jahr 700 katholische Bistümer im bajuwarischen Herzogtum eingerichtet, das älteste davon Salzburg (696), später Regensburg (um 700), Freising (716), Passau (739) und Eichstätt (Mitte/2.Hälfte 8.Jh.).[5] Endgültig wurden die letzten Anhänger des Arianismus aber wahrscheinlich erst nach dem Sieg der Franken über die mit den Bajuwaren eng verbundenen Langobarden im Jahr 774 zur Konversion bewegt. Die Niederwerfung der ebenfalls arianischen Langobarden durch die bereits katholischen Franken bedeutete das endgültige Ende des Arianismus in Europa.

Das katholische Christentum hat sich bei den Bajuwaren also langsam durchgesetzt, durch kulturellen Austausch mit den Romanen seit der Endephase des Weströmisches Reich bis zur endgültigen Integration Baierns in das Frankenreich im Jahr 788. Dadurch konnten sich unter einem christlichen Kontext auch Bräuche und Sitten aus heidnischer Zeit in die Kultur der Baiern integrieren. Inwieweit jedoch germanische Riten unter den germanischen Bajuwaren oder auch keltische und heidnisch-römische Relikte bei der romanischen Bevölkerung der Alpenregion tatsächlich tradiert wurde ist Gegenstand einer heftigen wissenschaftlichen Diskussion. Die germanophile Volkskunde des 19. und frühen 20. Jahrhundert behauptete eine Kontinuität aus vorchristlicher Zeit bis zum heutigen Brauchtum, eine Sichtweise die heute jedoch stark kritisiert und angezweifelt wird. In jüngster Zeit ist hingegen das Interesse für die alpenländischen Kelten stark gestiegen und so wird heute oft eine verborgene Kontinuität keltischer Riten über die später bajuwarisierte keltoromanische Restbevölkerung bis ins heutige Brauchtum behauptet, eine Sichtweise die ebenfalls auf einer schwachen wissenschaftlichen Basis steht. Daneben wird für die später von den Bajuwaren besiedelten östlichen Regionen in Niederösterreich, der Steiermark und in Kärnten ein slawischer Ursprung mancher Bräuche vermutet. Alle diese Theorien sind jedoch nicht abschliessend von der Wissenschaft erforscht und deshalb bleibt auch weiterhin Raum für Spekulationen.

Forschungsstand Werkeln

Aufgrund der erst in den letzten Jahren neu entdeckten bajuwarischen Funde ist der Forschungsstand zur Religion dieses germanischen Stammes nocht weitgehend im Anfangsstadium.[6] So wurde das umfangreiche Reihengräberfeld in Waging am See erst 1987/88 (neu-) entdeckt. Dies löste ein grösseres Medienecho aus und wurde im Jahr 1988 zum Anlass genommen eine von oberbayrischen Rosenheim und der Salzburger Gemeinde Mattsee gemeinsam veranstaltete Bajuwarenausstellung unter dem Titel "Die Bajuwaren - Von Severin bis Tassilo 488 bis 788" zu organisieren. Seit dem wurden jedoch durch diverse Bauprojekte neue archäologische Zufallsfunde aus der Zeit des 6. und 7. Jahrhunderts getätigt, wodurch sich der Wissensstand weiter vermehrte. So wurde erst 1990 in Kemathen bei Kipfenberg eines der ältesten als bajuwarisch identifizierten Gräber entdeckt, 1991 fand man in Petting am Waginger See ein weiteres frühmittelalterliches Gräberfeld, die Kampagne am Gräberfeld in Schwanenstadt in Oberösterreich wurde erst 1996 abgeschlossen und auf das Gräberfeld in Wels wurde man erst 2005 durch Umbauten am dortigen Bahnhofsareal aufmerksam. Dieser letzte Fund bietet besonders interessante Erkenntnisse, da es dort eine kontinuierliche Grablege vom 4. bis in das 8. Jahrhundert gibt.

Die Altertumsforschung und die Ältere Germanistik waren auch lange Zeit nur an einer Erforschung der bajuwarischen Frühgeschichte im Kontext einer allgemeinen Germanenkunde interessiert, die in der Zeit des Nationalsozialismus und davor sogar als Basis für politische Ideologien gebraucht wurde. Erst durch diese jüngeren Funde wurde das Bewusstsein geschaffen, dass in diesem Bereich noch grosse Lücken bestehen und eine eigene Bajuwarenforschung notwendig ist. Auch wurde bis heute die genaue Ethnogenese der Bajuwaren nicht endgültig geklärt und die Einordnung der zeitlich davor zu datierenden nördlich der Donau gelegenen Friedenhain-Přešťovice Fundgruppe steht ebenfalls noch aus. Dazu haben sich die technischen Möglichkeiten der Archäologie in den letzten Jahrzehnten dramatisch vermehrt und dadurch können auch Neugrabungen bei im späten 19. Jahrhundert oder frühen 20. Jahrhundert getätigten bajuwarischn Funden komplett neue Erkenntnisse ergeben.

Literatur Werkeln

  • Ronald Knöchlein: Das Reihengräberfeld von Waging am See, Schriftenreihe des Bajuwarenmuseums Nr. 1, Liliom Verlag, Waging am See, ISBN 3-927966-75-4
  • Thomas Fischer: Das bajuwarische Reihengräberfeld von Staubing - Studien zur Frühgeschichte im bayerischen Donauraum. Lassleben, Kallmünz 1993, ISBN 3-7847-5126-1.
  • Tovornik Vlasta: Das bajuwarische Gräberfeld von Schwanenstadt, Oberösterreich. Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie. Band 9, 2002. 152 S., ISBN 3-7030-0372-3
  • Hans Losert, Andrej Pleterski: Altenerding in Oberbayern - Struktur des frühmittelalterlichen Gräberfeldes und "Ethnogenese" der Bajuwaren; srîpvaz-Verl., Berlin (u.a.), 499 S., ISBN 3-913278-07-7
  • Marion Bertram: Die frühmittelalterlichen Gräberfelder von Pocking-Inzing und Bad Reichenhall-Kirchberg - Rekonstruktion zweier Altgrabungen; Museum für Vor- und Frühgeschichte, Berlin, 2002, 399 S., ISBN 3-88609-201-1
  • Rudolf Simek: Religion und Mythologie der Germanen, Damstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Theiss Verlag, 2003, ISBN 3-8062-1821-8
  • Knut Schäferdiek, Winrich Alfried Löhr, Hanns Christof Brennecke: Schwellenzeit: Beiträge zur Geschichte des Christentums in Spätantike und Frühmittelalter; Kapitel: Gab es eine gotisch-arianische Mission im süddeutschen Raum? (Seite 203ff), Walter de Gruyter Verlag, 1996, 546 Seiten, ISBN 3110149680

Weblinks Werkeln

Einzelnachweise Werkeln

  1. Rudolf Simek: Religion und Mythologie der Germanen, Seite 229, Kapitel: Die Christianisierung der germanischen Stämme auf dem europäischen Festland.
  2. Ronald Knöchlein, Das Reihengräberfeld von Waging am See, Seite 66, Zitat: Entsprechend bildete die auf den ersten Blick reichhaltige Ausstattung der Waging Männergräber 66 und 77, in der Zeit etwa zwischen 610 und 640, in den augen der Zeitgenossen keinen Widerspruch zu christlichen Emblemen in Form von Goldblattkreuzen, ...
  3. Ronald Knöchlein, Das Reihengräberfeld von Waging am See, Seite 60, Zitat: Es handelt sich um einen aus dem langobardischen Italien übernommenen Totenbrauch. Die Kreuze bestehen aus sehr dünnem, einer praktischen Verwendung nicht gewachsenem, folienartigem Goldblech und wurden den Verstorbenen vor der Grablegung aufs Gewand genäht.
  4. Ronald Knöchlein, Das Reihengräberfeld von Waging am See, Seite 70, Zitat: Eine regelrecht organisierte Form germanischer Religiösität mit Heiligtümern und Priestern, wie sie zur gleichen Zeit etwa in den erst viel später unter Karl dem Großen in das Frankenreich einbezogenen Teilen Norddeutschlands und erst recht in Skandinawien blühte, war für die hinter den Reihengräbern stehende Bevölkerung bereits Teil einer fremden Welt geworden.
  5. Archäologischer Verein im Landkreis Freising e.V. Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter
  6. Dr. Bernd Engelhardt vom Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in Abenteuer Archäologie im Landkreis Landshut, Zitat: "Wie es wirklich war, das hat man erst in den letzten vier Jahrzehnten herausgefunden, auf der Grundlage umfangreicher archäologischer Untersuchungen der Reihengräberfelder, die Bajuwaren zwischen der Oberpfalz und Südtirol hinterlassen haben – im Landkreis Landshut vor allem bei Eching, Viecht, Hofham und Altdorf, bei Essenbach, Altheim, Ergolding, Gerzen und Aham. In unserem Landkreis, einer Hochburg der Bajuwaren, sind heute gut 20-mal so viele Bajuwarengräber erforscht worden wie vor der Einrichtung der Außenstelle Landshut des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege im Jahr 1973."