Das Haus der Temperamente

Der Artikl is im Dialekt Weanarisch gschriem worn.

Das Haus der Temperamente is a Poss'n mit Gesaung in zwaa Aufzüg' vom Johann Nestroy. Des Stückl is 1837 entstaund'n und am 16. Novemba von dem Joahr aum Theater an der Wien ois Benefiz füa'n Nestroy aufg'füaht wua'n.

Daten
Titl: Das Haus der Temperamente
Goddung: Posse mit Gesang in zwei Aufzügen
Originalsproch: Deutsch
Autor: Johann Nestroy
Musi: Adolf Müller senior
Eascheinungsjoar: 1837
Uaauffiahrung: 16. November 1837
Oat vo da Uaauffiahrung: Theater an der Wien in Wean
Oat und Zeid vo da Handlung: Die Handlung spielt zu gleicher Zeit in zwei Zimmern des ersten und in zwei Zimmern des zweiten Stockes in einem und demselben Hause
Personen
  • Herr von Braus, ein reicher Privatmann
  • Robert, sein Sohn
  • Walburga, seine Tochter
  • Herr von Fad, ein reicher Privatmann
  • Edmund, sein Sohn
  • Agnes, seine Tochter
  • Hutzibutz, Kleiderputzer[1]
  • Schlankel[2], Barbier und Friseur
  • Herr von Trüb, ein reicher Privatmann
  • Guido, sein Sohn
  • Irene, seine Tochter
  • Herr von Froh, ein reicher Privatmann
  • Felix, sein Sohn
  • Marie, seine Tochter
  • Isabella, deren Stubenmädchen
  • Herr von Sturm, Herr von Schlaf, Herr von Schmerz, Herr von Glück, Partikuliers aus Straßburg
  • Frau von Korbheim
  • Herr von Finster
  • Frau von Nachtschatten
  • Jacob, Diener des Herrn von Sturm
  • Nanette, Stubenmädchen, Susanne Köchin bei Herrn von Braus
  • Babette, Stubenmädchen, Gertraud, Köchin, Cyprian, Bedienter bei Herrn von Fad
  • Lisette, Stubenmädchen, Brigitte, Haushälterin, Margarethe, Köchin bei Herrn von Trüb
  • Theres, Köchin, Sepherl, Küchenmagd bei Herrn von Froh
  • Nadl, ein Schneider
  • Leist, ein Schuster
  • Doctor Krims
  • Doctor Krams
  • Blinker, Weger, Stern, Hausfreunde bei Froh
  • vier Notare, Ballgäste, Musizi, Träger

Inhoit

Werkeln

Im Haus von de Temperament'n san 4 Wauhnungan, de wo von 4 Famülien mit gaunz vaschiedane Charakta bewohnt wea'n: Ob'n wohnan da Cholerika Herr von Braus mit seina Tochta Walburga und sein' Buam Robert, daneb'n da Phlegmatika Herr von Fad mit da Agnes und in Edmund; unt'n wohnan da Melancholika Herr von Trüb mit'n Guido und da Irene, und daneb'n da Sanguinika Herr von Froh mit'n Felix und da Marie. Während dem gaunz'n Stückl haund'ln olle Peasonan imma genau aso, wia's eahna 's Temperament vuaschreib'n tuat. Da Nestroy zeigt in seina Poss'n de Charaktaeigenschåft'n stoak üwazeichn't und aa, wia se eahnare Kinda trotz'n gegenteulich'n Temperament kreizweis valieb'n tan. Olle Vawicklungan und Intrig'n wea'n vom Kladaputza Hutzibutz und vom Friseur Schlankel sowia vom Stub'nmadl Isabella gaunz raffeniat mitanaund' und geg'nanaund' eig'fad'lt.

De Töchta Walburga, Agnes, Irene und Marie san von eahnare Voda'n jeweus denan Jugendfreind' Sturm, Schlaf, Schmerz und Glück vasproch'n wua'n und soi'n bei denan eahnan Besuch valobt wea'n. Owa 's gibt hamliche Liabsg'schicht'n hintan Ruck'n von de Vodan mit de – geg'nsätzlich'n – Söhn': de Walburga Braus mit'n Edmund Fad, de Agnes Fad mit'n Robert Braus, de Irene Trüb mit'n Felix Froh und de Marie Froh mit'n Guido Trüb; de Söhn' kumman gråd jetzt nåch monatslaunga Åbwes'nheit von Prag aus wieda haam. De hamlich'n Amoua'n rennan olle üwa'n Kladaputza Hutzibutz. Auf den und auf sei G'schäft is da Friseur Schlankel eifasüchtich und faungt au zum intregia'n:

Ich war immer Schutzgeist der Liebe, wenigstens so oft was heraus g'schaut hat dabei; jetzt muss ich als böser Dämon handeln, als Rachegespenst, als Eumenidische Furie. So weit können die Verhältnisse einen Balbirer[3] bringen. (Erster Act, neunzehnte Scene)[4]

Ea lasst z'eascht olle Liabschåft'n auffliag'n, wiad daunn owa duach's Stub'nmadl Isabella, in de wås a valiabt is, auf de Seit'n von de Kinda zog'n. De Jugendfreind' wea'n in de foisch'n Wauhnungan g'füaht, wo sa se safuat in de foisch'n Töchta valieb'n und beim vameintlich'n Freind z'weg'n eahnara „veränderten Art“ unaungenehm auffoi'n. De Söhn' wiedarum vasuach'n, si bei eahnare Schwiegavodan in spe beliabt zum måch'n. Wia daunn da Föhla bekaunnt wiad, woi'n de betroganan Jugendfreind' zwoa unbedingt eahnare „neuch'n“ Valobt'n heirat'n, owa de Vodan san aum End' do mit de Heaz'nswünsch' von de Kinda eivastaund'n. Da Schlankel, ohg'foahn mit seine Intrig'n und seina Hoffnung auf de Isabella, de wo in Hutzibutz liawa håt, prophezeit eahna owa a vadächtiche Zukunft:

Wenn ich nicht in sechs Wochen aus alle die Mariagen[5] Ehescheidungen heraus bring, dann will ich nicht mehr Schlankel heißen, und häng 's Intrigantenfach für Zeitlebens auf'n Nagl. (Zweiter Act, letzte Scene)[6]

Weaksg'schicht'

Werkeln

Das Haus der Temperamente is aum 16. Novemba im Theater an der Wien unta da Regie vom Direkta Carl Carl zum eascht'n Moi aufg'füaht wua'n. A direkte literarische Vualåg gibt's kane, owa des Thema mit de Gegensätz' von de via klassisch'n Temperament is von etliche Autoan aa scho früacha vawend't wua'n. A englisches Stückl, nämli Jonathan Bradford, or, The Murder at the Roadside Inn (1833) vom Edward Fitzball, håt eb'nfois a viateute Bühne g'håbt, olladings is üwahaupts ka inhoitliche Ähnlichkeit zum Nestroy sein Weak eakennboa.

Des Stückl is duach de viateute Bühne aa heut no a theatatechnische Herausfoadarung. Da Nestroy håt scho vuahea a Poss'n füa'r a zwaateute Bühne gschrieb'n, nämli Zu ebener Erde und erster Stock, des neuche Weak is drum ois Weidaentwicklung zum sehg'n. De Kuliss'n füa de Wauhnungan san so beschrieb'n: hochrot es Zimma von de Cholerika, liachtgöb des von de Phlegmatika, grau mit dunkle Vazierungan („so düster als möglich gehalten“) füa de Melancholika, himmeblau oda ros'nrot füa de Sanguinika.

Da Nestroy håt in Friseur Mankel/Schlankel, da Wenzel Scholz in Kladaputza Hutzibutz, da Ignaz Stahl in Herrn von Braus, da Alois Grois in Herrn von Fad, da Friedrich Hopp in Herrn von Froh, da Franz Gämmerler in Felix, de Eleonore Condorussi de cholerische Walburga und in Nestroy sei Leb'nsg'fäahtin Marie Weiler des Stub'nmadln Isabella gspüit.[7]

Boid nåch de eascht'n Auffüahrungan is des Weak küazt und 1852 auf an Einakta reduziat wua'n.

A Origenäumanuskript vom Nestroy is net üwaliefat, es exestiat nua de Zensaveaseaun von ana fremd'n Haund (mit aniche haundschriftlich'n Korrektua'n vom Nestroy und in eig'nhändich'n Vameak vom Direkta Carl: „eingereicht für das k.k.p. Theat. a.d. Wien, Wien d. 20t Oct. 1837“.[8], sowia de gesaumte eig'nhändiche Partetua vom Adolf Müller.[9]

Zeidungskritik

Werkeln

Des Publekum woa begeistat, de Premiere is a großa Eafoig wua'n und des Stückl is bis 1860 no 84-moi g'spüit wua'n. Aa de Theatakritik is posetiv g'wes'n.[10]

Üwa de Doastölla håt Der Humorist vom Moritz Gottlieb Saphir, dea wo in Nestroy oft unhamli negativ beuateut håt, aum 20. Novemba 1837 (Nr. 171, S. 683 f.) g'schrieb'n:

„Nächst dem vortrefflichen und wirksamen Spiele der Herren Scholz und Nestroy, als Stiefelputzer und Barbier, […] Mad.  Gerlach, und Dlle.[11] Condorussi leisteten in ihren verschiedenen Temperamenten Verdienstliches. Dlle. Weiler trug einige Gesangsnummern recht artig vor.“

Im Adolf Bäuerle seina Wiener Theaterzeitung woa nåch da Uaauffüahrung scho aum 18. Novemba 1837 zum les'n:

„Wer besitzt nicht gern ein Cassastück, ein Cassastück von Nestroy, […]? Hier ist wieder ein solches Stück, aber es ist zehnmal schwerer zu spielen und in Szene zu setzen, als jede Zauberoper.“

Der Wanderer vom 20. Novemba („[…] die Meisterschaft des Verfassers im vollen Sinne beurkundet.“), Der Telegraph vom söi'm Tåg („[…] dass ihm dafür das größte Lob ertheilt werden muss.“) und aundare Kritika hau'm genau des Gleiche g'schrieb'n. Lustich woa de zweite Kritikveaseaun in dera Theaterzeitung, eb'nfois vom 20. Novemba – des Zeitungsbladl woa viateut wia de Bühne und in de via Åbteülungan håt jeweuis a Cholerika, a Phlegmatika, a Melancholika und a Sangunika sei (posetive) Manung üwa's Stück'l eineg'schrieb'n.

A Beispüi füa'r a modeane Kritik is des Zitat vom Gustav Manker, dea wo 1965 söwa Regie g'fühahr håt, nåchz'les'n im Paulus Manker sein Büachl Der Theatermann Gustav Manker. Spurensuche:

„Die Posse ‚Das Haus der Temperamente‘ gehört zu Nestroys Meisterwerken. Der dramaturgische Aufbau, aufs Höchste kompliziert durch die fast gleichzeitig geführte vierfache Handlung, ist von Nestroy selbst in solcher mathematischer Prägnanz nicht übertroffen worden.“[12]

Spätare Fåchkritik

Werkeln

Da Otto Rommel reiht des Stückl in de Grupp'n von de Poss'n ei, de wo duach ka Moralesian oda Dozian „verfälscht“ san, zu denan ea füa den Zeitraum bis 1845 aa Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack (1835), Der Affe und der Bräutigam (1836), Einen Jux will er sich machen (1842), Liebesgeschichten und Heurathssachen (1843) und Eisenbahnheirathen oder Wien, Neustadt, Brünn (1844) dazua rechn't. Des wås dera Commedia dell’arte aum nächst'n kummt, warat eindeutich Das Haus der Temperamente. Des oide Poss'nmotiv vom widawüllich'n Vodan, vom valiabt'n Paarl und von dene g'schickt'n Intregant'n is doda glei viafåch vuahaund'n. In Nestroy sei geniale Idee is g'wes'n, ollas gleichzeitich auf ana viateut'n Bühne zum zag'n, drum stündat'n olle Auftritt' in an direkt'n Zusaammanhaung und olle Intrig'n und Liab'sszenan kunnt'n z'gleich aug'schaut wea'n. A Beziachung zu dem aum 15. Jänna 1837 aufg'fühaht'n Stückl Die vier Temperamente vom Fr. W. Ziegler warat net vuahaund'n.[13]

Da Franz H. Mautner maant, dass de Konzepteaun und de Duachfüahrung von dera Idee, de klassesch'n via Temperament' gleichzeitich auf a Bühne zum bringa, de intellektuelle Sichtweis' vom Nestroy deutlich zagat. Des Stückl is duachkonschtruiat, de Mensch'n san nua Marionett'n von eahnare charaktalich'n Aulåg'n, a echte Realetät is dera Abstrakteaun g'opfat, des Weak wiad auf de Oat zum Leahstückl von dera Typ'npsychologie. Ois Lesestück warats eigentli eha indifferent, auf da Bühne warat's uwa'r a auschaulicha, gleichzeitich ståttfindada Kontrast und drum untahoitsaum. De Theaterzeitung håt dazua aum 18. Novemba 1837 vamerkt:

„Wie sehr das denkende […] Publikum den Wert dieses Stückes aufgefasst, geht aus dem Umstande hervor, dass es Herrn Nestroy nach mehreren Szenen, welche keinen anderen Effekt als den des Kontrastes oder der Situation hatten und bei welcher er nicht einmal beschäftigt war, lärmend ein- und zweimal hervorrief.“

Trotzdem is des Stückl net zu dene gaunz groß'n Eafoig' vom Nestroy wua'n.[14]

Literatua

Werkeln
  • Helmut Ahrens: Bis zum Lorbeer versteig ich mich nicht. Johann Nestroy, sein Leben. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-7973-0389-0; S. 193–197.
  • W. Edgar Yates (Hrsg.): Johann Nestroy; Stücke 13. In: Jürgen Hein/Johann Hüttner: Johann Nestroy, Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Jugend und Volk, Wien/München 1981, ISBN 3-7141-6958-X.
  • Franz H. Mautner (Hrsg.): Johann Nestroys Komödien. Ausgabe in 6 Bänden, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1979, 2. Auflage 1981, 3. Band. OCLC 7871586.
  • Otto Rommel: Nestroys Werke. Auswahl in zwei Teilen, Goldene Klassiker-Bibliothek, Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin/Leipzig/Wien/Stuttgart 1908.
  • Otto Rommel: Johann Nestroy, Gesammelte Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, dritter Band, Verlag von Anton Schroll & Co., Wien 1948–1949, neue Ausgabe 1962; S. 5–156, 702–706, 718–720.

im Netz

Werkeln
  1. im Wean vua 1848 is neb'n in Friseur aa da Klada- und Schuachputza ins Haus kumma; da Hügel kennt a Red'nsoat: „Ja, beim Hutzelputzel“ ois Auntwuat, waunn ma wås net måch'n mechtat (Franz Seraph Hügel: Der Wiener Dialekt. Lexikon der Wiener Volkssprache. Verlag A. Hartleben, 1873)
  2. Schlankel, weanerisch füa Spitzbua, Schling'l; von da Zensa z'easchst in Schlunker, und füa de Auffüahrungan in Mankel g'ändat
  3. Balbirer = Barbier, Friseur
  4. W. Edgar Yates: Johann Nestroy; Stücke 13. S. 68.
  5. Mariage = Hochzeit (französisch)
  6. W. Edgar Yates: Johann Nestroy; Stücke 13. S. 190.
  7. Faksimile vom Theatazedl in W. Edgar Yates: Johann Nestroy; Stücke 13. S. 201.
  8. Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus, I.N. 160 801 = Ic 149 535.
  9. Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus, M.H. 716.
  10. W. Edgar Yates: Johann Nestroy; Stücke 13. S. 202–209. (füa'n gaunz'n Åbsåtz Zeitgenössische Kritik)
  11. Dlle., Plural Dlles. is de Ohküazung füa Demoiselle(s) (= Fräulein), de seinazeit übliche Bezeichnung von de unvaheirat'en Damen von an Ensemble; de verheirat'n Schauspülarinna san mit Mad. (Madame) aug'redt wua'n
  12. Paulus Manker: Der Theatermann Gustav Manker. Spurensuche. Amalthea, Wien 2010, ISBN 978-3-85002-738-0.
  13. Otto Rommel: Nestroys Werke. S. XLVII–L.
  14. Franz H. Mautner: Johann Nestroys Komödien. S. 357. (für den gesamten Absatz Neuzeitliche Interpretation)